
Rückblick
Dialogprozess bringt Lösung im Streit um neues Umspannwerk
„Wie sieht ein qualifizierter Mitgestaltungsprozess der Bürgerbeteiligung aus?“ fragen sich die Teilnehmer an den Impulsgesprächen des VDI Landesverbandes NRW. Dabei wollen sie Lösungsskizzen entwerfen, die sich an erfolgreichen Projekten orientieren. Eines dieser erfolgreichen Beispiele ist das neue Umspannwerk in Hagen-Garenfeld.
Hagen, 20 Kilometer südlich von Dortmund. Im Stadtteil Garenfeld wollte der Übertragungsnetzbetreiber Amprion eine neue 380-kV Umspannanlage bauen. Als die Anwohner im Mai 2013 vom geplanten Neubau erfuhren, formierte sich Widerstand gegen die zweite Umspannanlage in ihrem Stadtteil, die Bürgerinitiative „Menschen unter Strom“ entstand. Spannungsgeladen verliefen die ersten Gespräche mit Amprion. Dieser sah keine Alternative zu einem größeren Umspannwerk in Hagen-Garenfeld. Die bereits bestehende Anlage reiche nicht aus, um beim geplanten Ausbau einer 220kV Freileitung in eine 380kV Höchstspannungsfreileitung die Versorgung der Region zu sichern. Ein langwieriges und teures Gerichtsverfahren drohte, bis im April 2014 dann die Wende kam, die den Streit zwischen Bürgern und Unternehmen beenden sollte.
Einmaliger Mediationsprozess für den Netzausbau in Deutschland
Auf
Initiative des Hagener Umweltausschusses empfahl die Anwaltskammer ein
Mediationsverfahren unter Leitung eines ehemaligen Richters und eines
auf Mediation spezialisierten Rechtsanwaltes. Mit am Tisch saßen, neben
der Bürgerinitiative und Amprion, Vertreter der Kommunalpolitik, der
Stadt Hagen und des regionalen Energieversorgers Enervie. 17 Treffen
folgten mit dem Ziel, die bestmöglichen Kompromisslösungen zu finden. Wo
soll die neue Umspannanlage stehen? Wie soll sie aussehen? Was passiert
mit der bereits vorhandenen Anlage? Bei den Anwohnern ging es um
persönliche Betroffenheit, um Eigentum und den Wertverlust der Häuser.
Amprion kämpfte für den lückenlosen Stromtransport von Nord nach Süd.
Verständnis auf beiden Seiten war am Ende der Schlüssel für eine
konstruktive Planungsarbeit.
Amprion zeigte sich bereit, das Werk
auch an anderer Stelle zu realisieren, an der weniger Menschen betroffen
sind, 14 Planungsstandorte wurden geprüft. Das Ergebnis des Dialogs: es
wird ein neues Umspannwerk Garenfeld geben, allerdings weiter weg vom
Ort und kleiner als ursprünglich geplant. Statt 22,5 Meter wird die
Anlage nur 14,5 Meter hoch und 400 Meter – so weit wie möglich – vom
nächsten Haus entfernt. Optisch verschwindet sie aus der Landschaft,
liegt hinter hohen Hecken, Bäumen und Streuobstwiesen. Das Konzept sorgt
damit auch für den erforderlichen Schall- und Sichtschutz. Das alte
Umspannwerk soll nur so lange bestehen bleiben, bis ein zweiter
Verknüpfungspunkt an die Leitung von Amprion realisiert ist und dann
zurückgebaut werden.
Am Ende gewinnen alle
Nach acht Monaten Mediation, in der leidenschaftlich und sachlich diskutiert wurde, unterzeichneten die Beteiligten eine von allen gemeinsam getragene Kompromisslösung. Vor Gericht hätte man das niemals erreicht, lobten beide Seiten sowohl das Ergebnis als auch die Atmosphäre der Mediation. Damit kann jetzt das Genehmigungsverfahren unter den besten Voraussetzungen beginnen.